Gravitationswellenastronomie

Gravitationswellenastronomie
Gravitationswellenastronomie,
 
Forschungsgebiet der Astrophysik, das die Beobachtung der aus dem Weltall kommenden, durch beschleunigte Massen ausgesandten und sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreitenden Gravitationswellen zum Ziel hat. Je größer die Masse und deren Beschleunigung ist, umso größer ist auch die durch Gravitationswellen transportierte Energie. Jede Kreisbewegung ist eine beschleunigte Bewegung und damit eine Quelle von Gravitationswellen. Beim Umlauf des Jupiters um die Sonne z. B. werden Gravitationswellen mit einer Periode von nahezu 12 Jahren (Umlaufzeit von Jupiter) emittiert, die Strahlungsleistung beträgt aber nur etwa 1 kW (die Erde strahlt bei ihrer Bewegung um die Sonne nur 200 W ab). Wesentlich höhere Strahlungsleistungen ergeben sich beim Umlauf kompakter Komponenten, z. B. von Neutronensternen, in sehr engen Doppelsternen. Infolge der Abstrahlung von Gravitationswellen ergibt sich für die Umlaufbewegung ein Energieverlust, wodurch sich der Abstand und die Umlaufperiode der Komponenten verringern, während die Strahlungsleistung steigt. Bei dem aus zwei Neutronensternen bestehenden Doppelsternpulsar PSR 1913 + 16 kann die Periodenverringerung durch Beobachtungen nachgewiesen werden. Die nach der allgemeinen Relativitätstheorie berechnete Umlaufzeitverkürzung stimmt mit der beobachteten von 76 Mikrosekunden pro Jahr gut überein. Die mittlere Entfernung der beiden Komponenten voneinander nimmt jährlich um etwa 3,5 m ab, sodass es in etwa 300 Mio. Jahren zu einer Verschmelzung der beiden Neutronensterne kommen wird. Die beobachteten Änderungen der Umlaufperiode dieses Doppelsternpulsars liefert den bisher einzigen, zwar indirekten, überzeugenden Beweis für die Existenz von Gravitationswellen. Gravitationswellen großer Strahlungsleistung werden bei der Verschmelzung zweier Neutronensterne als Abschluss der ständigen Annäherung in einem Doppelsternsystem ausgesandt sowie bei einem Sternkollaps oder einer Supernovaexplosion. Dabei handelt es sich um jeweils sehr kurze, zum Teil nur Bruchteile einer Sekunde dauernde Strahlungspulse.
 
Funktionsweise von Gravitationswellendetektoren:
 
Als Gravitationswellendetektoren dienen große Metallzylinder oder Anordnungen frei beweglicher Massen. Gemessen werden die durch Gravitationswellen verursachten Verformungen beziehungsweise Abstandsänderungen. Bei den zu erwartenden Strahlungsleistungen der möglichen Quellen und deren mittleren Abstände vom Sonnensystem rechnet man mit relativen Abstandsänderungen in der Größenordnung von 10-20 und geringer, was der Verschiebung zweier etwa 1 km weit entfernter Punkte um nur etwa 1/100 eines Atomkerndurchmessers entspricht. Um messbare Effekte zu erreichen, müssen die Dimensionen der Detektoren entsprechend groß gewählt werden. Mit Metallzylindern als Detektoren konnten bisher keine Gravitationswellen nachgewiesen werden. Derartige Detektoren haben den großen Nachteil, dass mit ihnen nur Gravitationswellenpulse in einem sehr schmalen, durch die Größe des Detektors vorgegebenen Frequenzband registriert werden können. Bei Laserinterferometerdetektoren besteht diese Einschränkung nicht. In ihnen wird ein Laserstrahl mithilfe eines Strahlteilers in zwei senkrecht zueinander, in Vakuumröhren verlaufende Teilstrahlen aufgespaltet, die durch jeweils einen an den Röhrenenden befindlichen Spiegel zurückgeworfen, wieder vereinigt und zur Interferenz gebracht werden. Zur Verlängerung der effektiven Messstrecke und damit zur Erhöhung der Nachweisgrenze dienen hinter dem Strahlteiler angebrachte halbdurchlässige Hilfsspiegel, wodurch jeder Teilstrahl die Messstrecke mehrmals durchläuft. Verändert eine Gravitationswelle die Länge der Strecken, ergeben sich Änderungen bei der Interferenz. Diese werden registriert. Hauptstörquelle bei derartigen Messungen ist die Bodenunruhe, die ein Störrauschen verursacht, das um viele Zehnerpotenzen über den nachzuweisenden Signalen liegt. Durch eine extrem gute Schwingungsdämpfung bei der Aufhängung der Spiegel versucht man, die Störungen zu minimieren. Um eindeutig von Gravitationswellen herrührende Ereignisse aus dem Rauschen herauszufiltern, vergleicht man die Registrierungen von mindestens zwei unabhängigen, weit voneinander entfernten Detektoren miteinander. Durch erdgebundene Interferometerdetektoren können Gravitationswellenpulse mit Frequenzen im Bereich von rund 100 bis über 1 000 Hz nachgewiesen werden, nicht aber niederfrequente Gravitationswellen (10-4 bis 1 Hz), wie sie beim Umlauf von Neutronensternen in Doppelsternsystemen abgestrahlt werden. Dafür sind im Weltall stationierte Detektoren geplant.
 
Erdgebundene Gravitationswellendetektoren:
 
Mit den gegenwärtigen (erdgebundenen) Detektoren hofft man, relative Abstandsänderungen in der Größenordnung von 10-21 messen zu können. Bei dem deutsch-britischen Interferometerdetektor GEO 600 in Ruthe (bei Hannover) beträgt die Länge der Messstrecken (1,5 m unterhalb der Erdoberfläche) jeweils 600 m. - In den USA befinden sich in Hanford (Washington) und im 3 000 km entfernten Livingston (Louisiana) zwei identische Detektoren mit jeweils 4 km Armlänge (LIGO, Abkürzung für englisch laser interferometer gravitational wave observatory). Für 2002 ist in Livingston ein weiterer Detektor mit der halben Armlänge geplant, um eine bessere Erkennung von Gravitationswellen zu ermöglichen. - Nahe Pisa (Italien) befindet sich das französisch-italienische Gemeinschaftsobservatorium (VIRGO Abkürzung für englisch variability of solar irradiance and gravity oscillations), dessen Interferometerarme 3 km messen. - Bei dem in Japan bestehenden Gravitationswellendetektor (TAMA 300) beträgt die Länge der Messarme 300 m. Mithilfe dieser fünf Observatorien ergibt sich eine Gesamtanordnung von Gravitationswellendetektoren, die eine Lokalisierung der Gravitationsquellen am Himmel mit einer Genauigkeit von etwa 0,5º zulassen dürfte.
 
Gravitationswellendetektoren im Weltraum:
 
Neben den erdgebundenen Detektoren sind im Weltraum stationierte Laserinterferometer geplant, die insbesondere die oben beschriebenen niederfrequenten Gravitationswellen nachweisen sollen. Ein Beispiel ist das internationale Gemeinschaftsprojekt LISA (Abkürzung für englisch laser interferometer space antenna), das einem riesigen Michelson-Interferometer mit Armlängen von rund 5 Mio. km entsprechen soll (geplanter Projektstart: 2005).

Universal-Lexikon. 2012.

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